Steine sind die wahren Herrscher der Welt. Das weiß nur noch keiner, weil sie sich zur Zeit im Kokonstadium befinden. Wenn sie sich aus dem Kokon befreien, dann werden sie zu Schmetterlingen und übernehmen die Macht. So erzählt es jedenfalls Mikail Niemi in seinem Jetzt bei Random House Audio erschienen Hörbuch „Das Loch in der Schwarte“.
Auch in anderer Beziehung klärt uns der Autor auf und nimmt uns die romantisch verklärten Illusionen des landläufigen Science-Fiction-Romans. Roader werden die einsamen Kapitäne abenteuerlicher Fluggefährte genannt, die sich auf den Weg in unendliche Weiten machen. Doch diese haben nichts mehr mit den von Bruce Willis oder Clint Eastwood verkörperten gestählten, lächelnd dem Tod ins Auge blickenden Ex-Marines zu tun. Die Raumstation der Zukunft füllt sich mit „sehnigen, am ganzen Körper tätowierten Jünglingen; hinkenden Kerlen mit Hemingway Bart; mageren Mädchen mit Pistolenhalfter und Injektionsnarben; stummen Frauenzimmern mit rasierten Schädeln und wegoperierten Brüsten.“ So wie früher die coolen Jungs an ihren Mopeds rummontierten und sie mit Hochlenkern und sonstigem Überflüssigem aufmotzten, so basteln diese Kapitäne des Weltraums an ihren Karren herum und bauen ein, was man dringendst zum Überleben im schwere- und luftlosen All benötigt: „Sie installierten tragbare Gewächshäuser, Trockenduschkabinen, Gravitationskreisel, Videogeräte mit Pornofilmen, Sonnenwindfänger, Chirurgenausstattung für die Eigenoperation mit dazugehörigem Lehrbuch, Feuchtigkeitsabsorbierer…“ Doch das wichtigste Gerät an Bord ist der Spielcomputer, um die Einsamkeit, Isolation und Tristesse der oft monatelangen Reisen ohne Psychose überstehen zu können. Ein Raider, der wider alles Erwarten die Reise überlebte, schrieb einen Bestseller über seinen Survivaltrip mit dem Titel „Ich schaute bei Gott vorbei, doch es war niemand zu Hause“.
Doch nicht nur die Hobby der Menschen in der Zukunft wandelten sich, sondern auch die Wissenschaft machte riesige Fortschritte. So liefert der Wissenschaftler Emanuel Kreuzer den Beweis, dass nicht die Gravitation dafür verantwortlich ist, dass ein Brot immer mit der Butterseite auf dem Boden landet, wenn sie vom Tisch fällt, sondern eine bisher unbekannte negative Energie. Er besorgt sich Hunderte Dunkelkammerphotos eines weltberühmten wissenschaftlichen Labors und siehe da: er findet unsichtbare Partikel, die mit saurer, unangenehmer Energie geladen sind und nennt sie nach dem gierigen Scheidungsanwalt seiner Frau „Kurt“. Eine Häufung dieser Partikel nennt man, wissenschaftlich korrekt, „Pech“.
Douglas Adams Enkel
Den Versuch, witzige Parodien, bissige Persiflagen oder satirische Konterkarierungen auf gängige Science-Fiction-Literatur zu schreiben, haben viele Autoren und Filmemacher unternommen. Seit über 25 Jahren steht „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams unangefochten an der Spitze und weit und breit war kein Thronfolger in Sicht. Mit „Das Loch in der Schwarte“ von Mikail Niemi bekommt das altgediente Werk endlich Gesellschaft. Niemi zieht über alles her, was uns an der Science-Fiction lieb und teuer ist. Dabei reicht sein Repertoire von der winzigen Anspielung über ironische Seitenhiebe und sarkastischem Spott bis zu beißendem Hohn, dem kreisenden Holzhammer oder dem brüllend komischen Schenkelklopfer. Jeder und Alles bekommen ihr Fett weg. Seien es die erfolgsgeilen Wissenschaftler, der Nimbus um die heroischen Astronauten, die er schon mal als „Pissetrinker“ tituliert oder Seitenhiebe auf allgemein bekannte und benutzte Theorien, die jeder im Munde führt aber im Grunde doch keiner versteht wie beispielsweise Einsteins „Relativitätstheorie“.
Der König ist tot – Es lebe der König!
Die Lesung dieses Buches stellt eine echte Herausforderung dar. Soll der Sprecher versuchen, durch extreme Stimmakrobatik noch mehr Witz heraus zu kitzeln wie beispielsweise Dirk Bach bei der Lesung von „Die Stadt der träumenden Bücher“? Gerd Köster geht einen völlig anderen Weg und macht von seinem kabarettistischen Sprachtalent keinen Gebrauch. Er liest ruhig, unprätentiös und mit seiner angenehm vollen und dunklen Stimme Satz für Satz, nur um dann dem völlig unvorbereiteten Hörer eine Pointe nach der anderen um die Ohren zu hauen. Das ist der richtige Ton, den dieses Hörbuch verlangt. Keine Hau-drauf-Komik ist hier gefragt, sondern ein locker-lässiger Konversationston wie er in TV-Duellen zwischen Politikern gepflegt wird. Man sagt etwas Nettes ist dabei aber scharfzüngig, anzüglich und macht gelegentlich sogar boshafte oder mokante Anspielungen. Doch im Gegensatz zu solch einem inszenierten Medienspektakel darf man bei der süffisanten Lesung von Gerd Köster herzlich lachen. Und dazu bietet sich wirklich Gelegenheit genug.
Fazit: Irrsinnig komisch und mit brillanten Pointen und Wortspielen nimmt Mikail Niemi hier alles auf die Schippe, was Science-Fiction Fans lieb und teuer ist. Liebhaber schwarzen Humors und der ganzen Bandbreite satirisch-parodistischer Möglichkeiten kommen hier voll auf die Kosten. Die Fanfarenklänge sind unüberhörbar: Der König ist tot – Es lebe der König.
Rezensent: Wolfgang Haan
Wir wussten es schon immer. Nun sind die letzten Zweifel beseitigt: Mikael Niemi spinnt. Aber auf so verdammt brillante Weise, dass wir ihm bedingungslos folgen, wohin immer er geht.“, schreibt Norrländska Socialdemokraten. Diesmal führt uns Niemi in die ferne Zukunft, in einen Alltag, der in all seiner Skurrilität, seinen Irrungen und Wirrungen doch sehr dem Leben im nördlichen Schweden ähnelt.