John Mandrake, der Nathanael aus dem ersten Teil, ist stinksauer. Vor fast drei Jahren machte er erste Bekanntschaft mit der Widerstandsbewegung. Nachdem er die Verschwörung gegen den Premierminister aufgedeckt hat, stieg er in höchste Regierungskreise auf. Nun, gerade einmal 14 Jahre alt, ist er im Ministerium des Inneren tätig. Die Widerstandsbewegung wird immer dreister. Auf ihr Konto gehen Raubüberfälle, Bombenattentate, Einbrüche und vieles mehr – immer mit dem Ziel, magische Artefakte zu stellen. Selbst vor Übergriffen auf mächtige Männer schrecken sie nicht zurück, wie Mandrake am eigenen Leib erfahren musste Nur mit viel Glück kam er selber bei einem Raubüberfall mit dem Leben davon. Jetzt ist er dafür zuständig, diese dingfest zu machen. Allerdings bisher absolut erfolglos.
Und nun auch noch die Sache mit dem Golem… Und wem schiebt man die Schuld an allem in die Schuhe? Natürlich ihm. Er weiß, dass seine Karriere an einem Silberfaden hängt und so greift er zum letzten Mittel im Kampf – nein, nicht gegen die Widerständler oder den Golem, sondern um den Machterhalt. Das zur Erreichung seines Ziels der eine oder andere Widerständler oder Gewöhnliche sein Leben lassen wird, belastet ihn nicht. Denn sein Charakter hat sich gewandelt: seine Anflüge von Gewissensbissen wichen einem arroganten Auftreten; seine Neugier und Anteilnahme machten Skrupellosigkeit, Weltfremdheit und Verachtung für alle Nichtmagier platz. Und so beschwört er den mächtigen Dämon Bartimäus herbei, der für ihn die Kohlen aus dem Feuer holen soll.
Die Gegenspielerin
Kitty Jones ist eine Gewöhnliche mit ungewöhnlichen Fähigkeiten. Sie ist immun gegen magische Angriffe. Von ihrer „Gabe“ wusste sie nichts, bis Kitty und ihr bester Freund eines Tages von einem Zauberer angegriffen wurden. Sie kam mit ein paar Schrammen davon; ihr Freund wurde schrecklich entstellt. Kitty verklagte den Zauberer und verliert den anschließenden Prozess; sie wird als Lügnerin hingestellt und zu einer immensen Geldstrafe verurteilt. Voller Verzweiflung und Hass verlässt sie das Gericht und wird von dem ältlichen Mister Pennyfeather angesprochen, der sie für die Widerstandsbewegung anwirbt. Seit dieser Zeit arbeitet sie mit ihm zusammen; zufälligerweise gehörte sie auch zu der Gruppe, die Mandrake fast umgebracht hätte.
Die spannende Geschichte, die sich nun entwickelt, lebt vom Katz-und-Maus-Spiel zwischen den beiden Hauptfiguren und den ironischen Wortgeplänkeln zwischen Mandrake und Bartimäus. Dabei dient Kitty weitaus eher als Identifikationsfigur denn Mandrake, da diese wenigsten in einzelnen Passagen noch Zweifel am eingeschlagenen Weg und den angewandten Mitteln äußert. Teils rechtfertigt sie ihre Handlungen durch so etwas wie einen Gruppenzwang – sie hat Angst davor, nach dem schrecklichen Unfall, an dem sie sich die Schuld gibt, alleine dazustehen; die Gruppe ersetzt die Familie.
Mandrake ist der Prototyp des Zauberers. Er macht sich nie die Hände schmutzig, sondern überlässt dies seinen beschworenen Geschöpfen. Und so haut es ihn im wahrsten Sinne des Wortes aus den Socken, als Kitty ihm bei einem Zweikampf einen Faushieb verpasst. Verdattert bleibt er liegen; Kitty gelingt die Flucht und statt ihr Nachzusetzen überlegt er, welches magische Artefakt ihr Immunität gegen den magischen Angriff verliehen hat.
Beide Figuren agieren nicht gerade aus hehren Gefühlen und betrachtet man den zweiten Teil der Trilogie für sich allein, könnte man es durchaus für fraglich halten, einen gesamten Plot auf Hass und/oder Vergeltungssucht einerseits und krankhaftem Ehrgeiz und Machtwillen andererseits aufzubauen. Dieser Eindruck löst sich jedoch in Wohlgefallen auf, wenn man alle drei Bände als Ganzes betrachtet. Dann erkennt man, dass Beide konstante und glaubhafte Entwicklungsprozesse durchmachen, die sich wirklich erst auf den letzten Seiten des dritten Teils zu einem glaubhaften Ganzen zusammenfügen.
Misslungene Hörbuchumsetzung
Gerd Köster ist ein langjähriger und erfahrener Sprecher. Deshalb verwundert es gleich mehrfach, dass es ihm in bei diesem Hörbuch zu keiner Zeit gelingt, Atmosphäre aufzubauen oder die Charaktere adäquat umzusetzen; mit einer einzigen Ausnahme. Hier wird Kitty von Bartimäus entführt und es entwickelt sich ein witziges Streitgespräch zwischen den beiden. Allerdings ist hier weniger die Umsetzung als der Aberwitz der Situation für das Vergnügen verantwortlich. Gerade die Stimmen der 13 - 16 jährigen Protagonisten wirken künstlich. So klingt der 14-jährige Mandrake wie ein Erwachsener während die 13 bzw. 16-jährige Kitty mit einer infantilen Kleinmädchenstimme geschlagen ist, die nicht einmal Heidi zur Ehre gereichen würde. Der locker-leichte Erzählton der Buchvorlage muss einem getragenen großväterlichen Ton Platz machen und sämtliche witzigen Anmerkungen, Kommentare oder Wortgefechte Bartimäus verpuffen ohne Wirkung im Gehörgang des verzweifelt nach Labung gierenden Hörers.
Gerade im Bereich der Fantasybuch-Adaptionen gibt es zahlreiche Beispiele dafür, wie die Stimmen von weiblichen, kindlich-jugendlichen Protagonisten adäquat umgesetzt werden können; drei hervorragende Beispiele hierfür sind: Philip Schepmann - Sues und Lucy (Der König von Narnia); Peter Lohmeyer - Olivia und Emilia (Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder); Rainer Strecker - Meggie (Tintenherz/Tintenblut).
Rezensent: Wolfgang Haan