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Cool wie Lara CroftKate Mosse - Das verlorene LabyrinthEndlich sind die Zeiten vorbei, in denen Heldinnen an der Seite von Supermann nur als Staffage, Handlanger oder optischer Reiz dienten. Jüngster Beweis sind Dr. Alice Tanner und die 17-jährige Alais, Protagonisten in Kate Mosses Mystery-Thriller „Das verlorene Labyrinth“.
Dr. Alice Tanner, dankenswerterweise mal keine forensische Pathologin, Super-Psychiaterin, Ex-Staatsanwältin sondern Geisteswissenschaftlerin, nimmt während ihres Jahresurlaubes an einer archäologischen Ausgrabung in Frankreich teil. Als sie ein Artefakt unterhalb eines riesigen Steins ausgräbt, gerät dieser ins Rutschen. Im letzten Moment kann sich Alice zur Seite werfen. Nachdem sie sich von ihrem Schock erholt hat, erblickt sie einen bisher durch den Gesteinsbrocken versteckten Höhleneingang.
Sie tastet sich hinein und findet zwei Skelette, deren eines einen Ring mit einem stilisierten Labyrinth trägt. Neugierig nimmt sie den Ring in die Hand – und verliert das Bewusstsein. Als sie wieder erwacht, befindet sie sich im Jahr 1209 in der französischen Stadt Carcassona.
Was nun folgt, ist eine gelungene Kombination aus historischem-, Abenteuer- und Kriminalroman, welche auf zwei Zeitebenen spielt: Die Gegenwart und das dreizehnte Jahrhundert. Dabei verknüpft sie geschickt die 800 Jahre auseinander liegenden, jedoch eng verbundenen Geschichten der beiden Frauen, die parallel erzählt werden. Auch die historische Akkuratesse lässt keine Wünsche offen und trägt, gemeinsam mit den im Text verstreuten Zitaten in französischer Sprache, viel zur Atmosphäre des Romans bei. Verbindendes Glied der beiden Zeitebenen ist die Jagd auf drei geheimnisvolle Bücher, die so genannte „Labyrinth-Trilogie“, welche die wahre Geschichte des Grals erzählen. Diese Thematik ist keinesfalls neu – so darf man mit einiger Berechtigung fragen, warum man dieses Buch den anderen vorziehen sollte. Die Antwort ist so kurz wie simpel: Weil es einfach besser ist.
Wo andere Autoren glauben, Staunen und Spannung dadurch zu erzielen, dass sie angebliche historische Fakten mit erstaunlichem Geheimwissen, kruden Verschwörungstheorien, Aberglauben und Gerüchten zusammen panschen; ja wo sogar in berühmten Gemälden oder auf Geldscheinen geheime Botschaften versteckt sein sollen, kurz, in Zeiten hanebüchenen Unsinns geht Kate Mosse einen völlig anderen Weg. Sie entwickelte dass, was sie in einem Interview die „historische Fiktion“ nannte. Diese wissenschaftlich fundierten, faktisch korrekten und historisch beweisbaren Tatsachen werden jedoch in solch literarisch ansprechender, gut lesbarer, spannender und kompakter Form präsentiert, dass es dem Hörer leicht gemacht wird, dem Labyrinth der Geschichte zu folgen.
Und das über die Ganze Länge des Hörbuches von über 23 Stunden. Das keine Ermüdung eintritt, liegt natürlich auch an der gelungenen Sprecherwahl. Das es der erfahrenen Sprecherin nahezu perfekt gelingen würde, den weiblichen Protagonisten Leben und unterschiedliche Stimmlagen zu verleihen, war zu erwarten. Überraschend jedoch, wie prägnant sie auch den männlichen Akteuren Vitalität verleiht. Dies gelingt ihr nicht nur durch das obligatorische Absenken der Tonhöhe, sondern die Aussprache wird dringlicher, fordernder ja zuweilen brutaler ohne jedoch ins parodistische Abzugleiten. Absoluter Höhepunkt der Lesung sind jedoch die Passagen in Okzitanisch, Französisch oder Englisch, die vorgetragen noch weit aus atmosphärischer klingen als bei Eigenlektüre vorstellbar.
Fazit: Nicht neu, aber anders und besser präsentiert Kate Mosse ihre verwobene Geschichte um den Gral und die Erlebnisse zweier starker Frauen in Vergangenheit und Gegenwart und deklassiert damit die aktuellen Werke ihrer männlichen Kollegen. Wer auf Blutorgien, sinnlose Gewaltdarstellungen und hanebüchene Lösungen verzichten kann und stattdessen dichte Atmosphäre, detaillierte aber kurzweilige Beschreibungen und historische Akkuratesse bevorzugt, wird hier bestens bedient. Ein Roman, der nicht nur Frauenherzen höher schlagen lässt.
Rezensent: Wolfgang Haan
Verlagsinformation
Bei Ausgrabungen in einer Höhle im Herzen des Languedoc entdeckt Alice Tanner zwei Skelette und darüber eine Wandmalerei, die ein Labyrinth darstellt. Trotz aller Begeisterung für ihren Fund fröstelt es Alice beim Anblick der Toten. Zu offensichtlich ist es, dass sie auf unnatürliche Weise gestorben sind. Ihre unguten Gefühle werden verstärkt durch den Ring, den einer der Toten trägt und auf dessen Innenseite sich die Labyrinthzeichnung wiederholt. Der Hauch des Bösen scheint über der Stätte zu liegen.
Als sich die Polizei einschaltet, ahnt Alice, dass an dem rätselhaften Ort etwas geschehen ist, das im Verborgenen hätte bleiben sollen. Etwas, das weit in die Vergangenheit zurückreicht. Alice beschließt, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen – und es stoßen ihr immer merkwürdigere Dinge zu ...
Achthundert Jahre zuvor erhält die junge Alaús am gleichen Ort ein Buch mit fremdartigen Zeichen und Diagrammen, deren schicksalhafte Bedeutung sie kennt. Sie weiß, dass sie das Geheimnis des Buches hüten muss – um jeden Preis. Das verspricht sie ihrem Vater, als sie dessen Erbe als Hüterin des Heiligen Grals antritt. Verlust, Intrige, Gewalt und Leidenschaft prägen fortan ihr Leben. Doch wie Alice, die Jahrhunderte später ihre Spur aufnimmt, kämpft sie mit ungebrochener Kraft gegen ihre Gegener an. Bis das Schicksal sie, genau wie Alice, in jene Höhle führt, in der sich alles entscheidet ...
„Das verlorene Labyrinth“ ist ein fesselnder Roman über das größte Rätsel der Menschheit: die Unsterblichkeit. Nie zuvor gab es ein perfekteres Zusammenspiel von Mystery-Thriller und historischem Roman.
„Fesselnd und leidenschaftlich.“
The Sunday Times
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